Isa
zugedacht
Ich war im Traumland viel daheim
Und viel in Avalun.
Dort hörte ich einen Fabelreim,
Doch das Herz verlor ihn nun.
Seitdem ists wieder wie früher still
Und die Türen sind alle zu –
Wer den Traumreim wieder finden will
Der Muss so sein wie Du.
Alexander von Bernus: Aus Welt und Überwelt. Dornach 1995. S. 41
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Isa
1939
Drei mal drei verwunschne Jahre
Sind wir uns heut zugetraut,
Liebe du, und meine Haare
Sind inzwischen fast ergraut.
Aber unsre Liebesfeier
Blieb noch jung und unversehrt,
Weil bis heute noch der Geier
Meine Leber nicht verzehrt.
Zwar ich fühle wie er weidet
Nachts und mich im Traum befällt,
Doch wenn meine Seele leidet,
Ist es dein Herz, das mich hält.
Denn ich habe böse Stunden,
Die ich in mir selbst verschweig,
Wär ich da nicht dir verbunden,
Würde ich am Ende feig.
Wenn ich zeitweis herb erscheine
Auf der Flucht vor mir allein,
Ist es nur, weil sonst die Steine
Anfingen zu laut zu schrein.
Furchtbar wärs, wenn das geschähe,
Weil der Mißlaut mich zerfräß,
Liebe, ohne deine Nähe,
Wenn ich dich nicht mehr besäß.
Was ich immer auch gestalte,
Floß aus deinem Sein mir zu,
Deinem Um-mich-sein. – Ich halte
Heute dich noch fester – Du!
Alexander von Bernus: Leben, Traum und Tod. Nürnberg 1962. S. 109.
ISA
1945
Hat sie uns vieles auch geraubt, die Zeit,
Dem Dichter kann sie sein Gedicht nicht rauben,
Noch dir und mir, woran wir Beide glauben,
Gehn wir nur immer unsern Weg zu zweit.
Es gibt auch Wege in der Dunkelheit,
Und andre müssen sich das Licht verdienen,
Doch unser Weg war ganz von Licht beschienen,
Er kam von weither und er führt noch weit.
Wohin er führt, weiß einzig dein Geleit,
Dein guter Engel – Ihm laß uns vertrauen
Und seinem Licht in dieser Welt voll Grauen
In ihrer tiefen Undurchsichtigkeit.
Alexander von Bernus: Leben Traum und Tod. Nürnberg 1962. S. 109.
Von hier sehr weit
Das wilde heilige Tempeltier
Kommt manchmal nachts im Schlaf zu mir.
Mein Schlaf ist schwer, mein Traum ist wüst,
Ich hab zu viel im Schlaf gebüßt.
Mein Traum ist wüst, mein Schlaf ist schwer
Aus Vorzeit und aus Vorwelt her.
Das wilde heilige Tempeltier
Ist wieder aufgelebt in dir.
Mit Hellsicht hab ich dich erkannt,
Mir zeitlos traum- und welt-verwandt.
Du liebtest mich vor Tag und Jahr,
Als ich noch Tempelpriester war.
Das wilde heilige Tempeltier
Ist Engel, Adler, Löwe, Stier.
In Nacht und Todeswollust rings
Liegt es auf meinem Leib als Sphinx.
Und irgendwo, von hier sehr weit,
Verläuft im Hintergrund die Zeit.
Alexander von Bernus: Leben, Traum und Tod. Nürnberg 1962. S. 139.
Von drüben gesprochen
von dem, der im Leben
Alexander von Bernus war
Für Isa seinem letzten Willen beigefügt
Ich spreche dieses mit geschloßnem Munde,
Ist auch die Seele um den Leib noch her.
Doch überstanden ist die schwerste Stunde:
Schwer ist das Sterben, Totsein ist nicht schwer.
Ich weiß: Im Totenreich drohn auch Gefahren,
Und Orte gibts, wohin kein Lichtstrahl fällt,
Nicht anders wie in unsern Erdenjahren.
Doch Christus lebt in Welt und Überwelt.
Christus ist Herr der Lebenden und Toten.
Er wird auch mir mein Nichtbestehn verzeihn.
Ich brach fast alle von den zehn Geboten,
Und doch versuchte ich, ein Mensch zu sein.
Menschsein ist schwer, am schwersten für den Dichter,
Der alles, was er sieht, bei Namen nennt.
Der Dichter hat so vielerlei Gesichter,
Daß er zuletzt sein eignes nicht mehr kennt.
Vielleicht besteht von dem, was ich gedichtet,
Vor Christus Angesicht ein Laut, ein Ton:
Dann war es nicht umsonst, was ich verrichtet,
Denn jeder Mensch ist der verlorne Sohn ...
Nun nehm ich letzten Abschied von der Erde,
Die mir so vieles und geliebtes gab,
Und wo ich wieder mich verleiben werde –
Nur meine leere Hülle sinkt ins Grab.
Isa, nun bin ich zeitlich Dir genommen;
Doch weiß ich, daß wir nicht geschieden sind:
Ich werde nachts im Traume zu Dir kommen.
Ich werde um Dich sein, geliebtes Kind.
Wenn ich dies spreche, liegt das Abschiednehmen
Schon hinter uns -: Isa, bleib immer mein!
Dann wird das schon betretne Land der Schemen
Um mich erhellt durch Deine Liebe sein.
Nicht leicht sein wird es mir, mich wegzulösen:
Man hängt zu sehr an allem was uns lieb.
Der Tod enthüllt erst alle unsre Blössen
Und unsern unversiechten Lebenstrieb.
Wie ich seither ein Erdenmensch gewesen,
Werd ich ein Sphärenmensch sein – und vielleicht
Hör ich auch drüben meine Verse lesen
Mitunter, wenn mich dort ihr Ton erreicht...
Nun schließt den Sarg! – Wie liebte ich das Leben!
Doch weiß ich, daß es auch die Himmel gibt,
Und Christus wird dem Toten dort vergeben,
Daß er die schöne Erde so geliebt.
Alexander von Bernus: Aus Welt und Überwelt. Dornach 1995. S. 49f.